Dienstag, 2. Dezember 2014

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Über Deutsche Comedy


Es gibt der Dinge reichlich, die da nicht lustig sind. Krebsgeschwüre an Augenbrauen, Augenbrauen, wo vorher keine waren und deutsche Comedy. Kennste? Kennste? Kennste den Typen, der da, Oberkörper gebeugt, gehetzten Schrittes, starren Blickes, auf die Bühne walzt?
Dich mit Wortkaskaden überschüttet und alle Worte handeln davon, wie unterschiedlich Männer und Frauen doch einkaufen? Davon, wie er sich beim Warten auf die Holde vor der Umkleide langweilte, neben Heerscharen anderer Männer, die sich auch alle langweilten und ja, auch Du musstest schon der einen Bluse oder der anderen Jacke harren und so fühlt Ihr euch kurz verbunden, doch im Stillen fragst du dich: Wenn es doch schon langweilig war, als es dir passiert ist, warum sollte es dann jetzt auf einmal komisch sein? Kennste? Kennste?

Nichts ist langweiliger als Klischees und nichts ist demprimierender, als der Moment, in dem man erkennt, dass man es mal wieder nicht vermeiden konnte, einem ganz bescheuerten Stereotyp zu entsprechen. Kennste? Kennste diesen Moment? Wenn Du das Bücherregal zusammenschraubst
und deine Frau es einräumt? Immer wenn du das tust, bekommt irgendwo ein schlechter Comedian seine Flügel. Aber soll man jetzt deshalb zwanghaft die Rollen tauschen, nur um zu verhindern, zum Abklatsch seiner selbst zu werden? Ich meine, was soll aus diesem Land nur werden, wenn plötzlich meine Frau Regale zusammenschraubt und ich die Bücher einsortierte? Ich meine, dann stünden ja die Krimis bei den Reiseführern und die Bildbände bei den Lexika von A bis W, die Bände X, Y und Z hätte ich Freistil verteilt, um die Sache postmoderner zu gestalten UND DIE VON MEINER FRAU GEBAUTEN REGALE wären völlig in Ordnung, weil meine Frau keine Idiotin ist und selbst ein derilierender, einhändiger Schimpanse ein Billy-Regal zusammenbauen könnte und dabei immer noch eine Hand frei hätte. Kennste? Kennste.

Wenn alle Stricke reißen, verlegt sich der Komiker ins Regionale. Da berlinert und plattet, da sächselt und schwäbelt es sich durch die Scheinwerfer dieser Nation und das Publikum weiß sofort, obacht, Humor! In der Comedy ist ein Akzent das semantische Gegenstück zur Fremdsprache.
Klingt auch fremd, vermittelt aber gerade dadurch Informationen und sei es nur: Ach schau, der ist wie wir ein Mensch mit Schwächen. Oder: Ach schau, der ist ganz anders als wir. Lass uns über seine Andersartigkeit lachen und ihn anschließend mit Mistgabeln aus der Stadt jagen.
Der Akzent ist ein machtvolles Instrument, aber auch ein Geburtsrecht. Ich selbst erlag einmal der Versuchung, eine Lesung auf der Leipziger Buchmesse mit den Worten: „Ei verbibscht, do brat mir doch eener 'n Klabberstorsch!“, zu eröffnen. Kennste? Kennste den Blick dutzender Sachsen, die dir ans Leder wollen?
99% aller Menschen behaupten von sich, humorvoll zu sein, glauben aber zugleich, dass Ihre Mitmenschen es nicht sind. Es gibt ganze Städte, die geschlossen für sich in Anspruch nehmen, die Stadt mit Herz und Witz zu sein. Der Köllner glaubt, den Witz für sich gepachtet zu haben, ebenso wie der Düsseldorfer, der Berliner und das gesamte Ruhrgebiet. Ich kenne keinen Ort, dessen Stadträte sagen würden: „Also, wissen sie, hier leben eigentlich nur maulfaule Spießer. Wir haben uns halt irgendwann gedacht, also das mit dem Gelächter da, sollen mal die Anderen machen. Wir konzentrieren uns lieber auf die Spargelernte und das pünktliche Bezahlen unserer Steuern.“
Es gibt, so scheint es, einen gefühlten Lachüberdruck und nur eine sehr begrenzte Anzahl an Ventilen. Kann man unter solchen Umständen wählerisch sein? Kann man den Karnevalisten, den umgetextete-Lieder-auf-Hochzeiten-Singern da einen Vorwurf machen? Ist es Zufall, dass sich Humor auf Tumor reimt, oder hatte der Herr Duden da so eine Ahnung?

Eine besonders perfide Form der Akzent-Comedy ist die Ethno-Comedy. Zumeist junge Männer und Frauen mit Migrationshintergrund lassen uns auf humorvolle Art und Weise an ihrem Leben im Ghetto teilhaben. Wenn ich „humorvoll“ sage, meine ich „Isch ficke deine Mutter, aber nur ironisch.“. Und wenn ich Ghetto sage, meine ich das fiktive Apokalypseszenario, dass sich meine Oma vorstellt, wenn in der Tagesschau mal wieder von Neukölln die Rede ist. Zugegeben, ich weiß nicht, wie sich das Leben als Einwanderer oder Einwandererkind in Deutschland anfühlt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich die Blicke, der Generalverdacht, das Treiben zwischen den Kulturen anfühlen. Aber ich glaube, die Spacken da am Mikrofon, die können es auch nicht. Wer sitzt denn da in der Stadthalle Heidelberg, wenn Bülent Ceylan dort auftritt. Hassan? Mohhamed? Nein, da sitzen Inge und Bernd von der Handwerkskammer und wisst Ihr, was die denken: „Ach schau, der ist ganz anders als wir. Lass uns über seine Andersartigkeit lachen und ihn anschließend mit Mistgabeln aus der Stadt jagen.“ Nur, so anders ist der ja gar nicht. Der ist bekannt. Der und seinesgleichen sind die Summe aller Abziehbilder aller Kanackenwitze dieser Welt und passen damit perfekt in jede Schrankwand Eiche rustikal, gleich neben den Knabbereien und den guten Weingläsern. Das ist kein Kulturschock. Das ist Boxen mit Kissen an den Händen. Kennste? Kennste die wohlige Wärme befeuerter Ressentiments?


Verschont mich eurer kontrastlosen Kennste-Kacke. Ja, ich kenne das und das reicht auch schon. Gebt mir was Neues. Gebt mir Phantasmen, Träume. Gebt mir etwas Ungesehenes. Kitzelt mich, reizt mich, erstaunt mich, beleidigt mich, aber bitte durch das, was Ihr tut und nicht bloß, weil es euch gibt. Kennste noch nicht? Wäre doch gelacht.

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