Es gab mal eine
Zeit, in der ich meine Familie mit selbsgetöpferten Aschenbechern
geradezu überhäufte, was rückwirkend etwas undurchdacht erscheint,
da ich in einem Nichtraucherhaushalt groß geworden bin. Immerhin
aber eigneten sich meine Aschenbecher nicht nur zum festlichen hinein
aschen, nein. Da jeder Aschenbecher ein absolutes Unikat darstellte
und sich in Größe, Form und Beschaffenheit vollkommen von allen
anderen Aschenbechern unterschied, fanden sich mit etwas Kreativität
immer neue Möglichkeiten, etwas aus meinem Geschenk zu machen.
Einige Aschenbecher wurden so zu Fingerhüten, Blumenkübeln oder
Wagenrädern umfunktioniert. Die Jahrgänge 97 bis 2003 verleihen
noch heute dem berühmten Gulasch der Familie Lampe seinen
einzigartigen Geschmack und auch meine Großmutter dreht im Sommer
gerne einige Runden in dem Schwimmbecken, das sie eines Feiertags
überraschend in ihrem Vorgarten fand. Flexibilität ist die Maxime
unserer Zeit und schließlich ist es doch die Geste, die zählt und
überhaupt, never change a
running system, sagt der Mann aus der IT-Abteilung und hat recht,
weil Männer aus der IT-Abteilung immer recht haben und wenn nicht,
dann schaltet man sie einfach mal kurz aus und wieder ein und fragt
dann noch mal. Zudem hatte ich das Gefühl, die Sache mit dem Töpfern
langsam raus zu bekommen, also machte ich einfach weiter.
Doch seit einigen
Jahren wurde das erfreute Lächeln immer mehr von so einem Blick
begleitet. So einem Blick, wie man ihn für junge Hunde reserviert,
deren vermeintlich sicher geglaubte Stubenreinheit unverhofft wieder
in Frage gestellt wurde. So ein Blick, wie man ihn in sein Sparbuch
wirft, nur um dann festzustellen, dass von den 30.000 Euro, die man
eingezahlt hat, inflationsbereinigt nur noch 27.000 da sind. Sicher,
man hat 27.000 Euro. Das reicht beispielsweise, um 27.000
Einkaufswägen die Freiheit zu schenken. Da muss man auch mal sehen,
was man da schon mit bewirken könnte und manchmal ist ja wirklich
alles besser, als das zu kriegen, was man verdient hat. Yey, 27.000
Euro, möchte man frohlocken! Doch trotzdem bleibt da dieses diffuse
Gefühl, beschissen worden zu sein. So ein Blick.
So einen Blick
konnte ich zuletzt in den Gesichtern meiner Eltern entdecken.
Letztes Jahr nahm
mich mein Vater zur Seite. Mit einem Blick über die Schulter
vergewisserte er sich, dass Mutter und Schwester ihre Aufmerksamkeit
weiterhin einzig und allein auf Michl aus Lönneberga richteten. Dann
sagte er: „Sohn, ich muss sagen, du kommst der Sache näher. Dieses
Jahr sind deine Aschenbecher runder, als je zuvor und auch die
kleinen Sterne, die im Dunkeln leuchten, zeugen von Kreativität und
Liebe zum Detail. Doch lass mich anmerken, wenn du nächstes Jahr
wieder mit den Drecksteilen ankommst, wirst du deine ganz persönliche
Weihnachtsgeschichte erleben, weil ich dich dann im Stall schlafen
lassen werde.“
„Vater,“, sagte
ich, entrüstet, doch mit angemessenem Respekt. „Ihr wohnt in einer
Zweizimmer-wohnung im dritten Stock. Ihr habt keinen Stall.“
Stumm deutete er auf
den Meerschweinchenkäfig und mich überkam große Angst.
Der
Meerschweinchenkäfig, der seit Generationen nicht mehr gereinigt
worden war, in dem die Meerschweinchen vor lauter Dreck und Dämpfen
verrückt und blutrünstig geworden waren. Riesenhaft mutierte
Meereber in Lederkutten mit Killernieten, die ihr Fell zu
einem aggressiven Ganzkörperirokesen gestylt trugen. Immer wenn ich
diesen Käfig betrachtete, musste ich unwillkürlich an Tina Turner
in „Mad Max 3, unter der Donnerkuppel“ denken.
Richtiges Schenken
ist eine durchaus heikle Angelegenheit. Denn um richtig zu schenken,
muss man möglichst viel über den zu beschenkenden wissen. Was aber
weiß man über Väter? Sie sind wie Gebirgszüge am Horizont,
zunächst einmal da. Manchmal beschützen Sie uns vor Regen und ein
anderes mal muss man über sie hinweg, möchte man endlich raus aus
dem engen Tal. Aber haben diese Berge Interessen? Weltanschauliche
Überzeugungen? Am Ende noch Hobbys? Liest der Berg gern mal
historische Romane oder hat er eine Modelleisenbahn im Keller? Wollte
er schon immer mal Schwedisch lernen oder braucht er einen neuen
Schlips? Ich weiß es nicht, aber wofür gibt es denn Fachkräfte?
In der
Gneisenaustraße gibt es ein Geschäft namens Herrlich. Hier,
so die Werbung, hat man sich vollständig auf Geschenke für Männer
spezialisiert. Da mein Vater, da bin ich mir fast sicher, ein Mann
ist, erschien es mir als strategisch richtig, meine Suche nach einem
passenden Geschenk hier anzusetzen.
„Guten Tag werte
Wächterin von Waren.“
„Guten Tag, was
kann ich für sie tun?“
„Ich suche ein
Geschenk. Für meinen Vater, oh resolute Regentin der
Registrierkasse.“
„Aha. Wofür
interessiert sich ihr Vater denn so?“
„Ich dachte, das
könnten sie mir sagen! Sind sie überhaupt eine richtige
Verkäuferin? Zeigen sie mir sofort ihre Lizenz, sie
labil-liederliches Ladenlokalluder!“
Die Dame lässt sich
nichts anmerken. Verkäuferinnen auf der ganzen Welt werden täglich
mit irgendwelchen Spinnern konfrontiert, die ganz dringend ein
Geschenk brauchen, zumeist aber schon beim Versuch scheitern, sich
daran zu erinnern, für wen.
„Nun,“, sagt die
Dame. „Wir haben uns ja auf besonders männliche Geschenke
spezialisiert. Das männlichste Geschenk, das wir haben, sind diese
penisförmigen Manschettenknöpfe aus verschossener Panzermunition,
die von Bruce Willis persönlich mit einem Feuerzeug und einer Dose
Axe eingeschmolzen wurde. Es müsste sogar noch etwas Schießpulver
drin sein. Passen sie also beim Händeschütteln besser auf!“
„Finden sie diese
Vorstellung von Männlichkeit nicht auch etwas stereotyp?“
„Wollen Sie sie
nun oder nicht?“
„Gekauft!“, sage
ich. „Was sollen die denn kosten?“
„Mehr, als sie im
Umschlag von ihrer Großmutter finden werden.“, sagt die
Verkäuferin und schenkt mir ein wissendes Lächeln.
Väter haben die unangenehme Eigenschaft, sich Dinge die sie brauchen einfach zu kaufen, die Wahnsinnigen!
AntwortenLöschenDer Meerschweinchenkäfig, der seit Generationen nicht mehr gereinigt worden war, in dem die Meerschweinchen vor lauter Dreck und ... meerschweinchenkaefig.blogspot.com
AntwortenLöschen