„Das ist eine sehr
schöne Zimmerdecke.“, denke ich, weil es sonst sehr wenig zu
denken gibt, wenn man seit mehreren Minuten angestrengt eine
Zimmerdecke betrachtet. Gut. „Schlechte Decke“, könnte man noch
denken, aber dies hier ist eine ausnehmend schöne Zimmerdecke,
soweit das für Decken eben gerade relevant ist. Diese hier ist
annähernd glatt, in einem die fliederfarbenen Wände angenehm
kontrastierenden Eierschalton gestrichen, frei von Rissen oder
Spinnweben und bis jetzt verhindert Sie erfolgreich, dass die
Muskelprotze aus dem McFit ein Stockwerk höher uns mit ihren
eiweißgeblähten Riesenkörpern erschlagen.
Also ist dies eine sehr
schöne Zimmerdecke, die streng nach den Bauhausprinzipien
Funktionalität über Ästhetik stellt und gerade deshalb erst schön
wird.
Es ist schon
erstaunlich zu welch tiefen Schichten des Denkens der Mensch
vordringt, welche immer neuen Erkenntnisse er selbst den banalsten
Dingen des Alltags, wie etwa einer Zimmerdecke, abzutrotzen vermag,
wenn seine Frau ihn einfach so im Damenunterwäschefachgeschäft stehen lässt. Es ist Samstag Nachmittag und wir sind nur mal schnell in die Gropiuspassagen reingegangen, um irgendwas zu kaufen, das, so meine ich mich zu erinnern, keine Unterwäsche war, Bleiche oder einen Monstertruck wahrscheinlich, doch dann gingen wir am
Drunter & Drüber vorbei und meine Frau murmelte irgendwas von „Nur mal schnell gucken“ und verschwand dann so schnell, dass der bloße Luftzug ihrer Bewegung ausreichte, um mich ihr hinterher in den Laden hineinzusaugen.
wenn seine Frau ihn einfach so im Damenunterwäschefachgeschäft stehen lässt. Es ist Samstag Nachmittag und wir sind nur mal schnell in die Gropiuspassagen reingegangen, um irgendwas zu kaufen, das, so meine ich mich zu erinnern, keine Unterwäsche war, Bleiche oder einen Monstertruck wahrscheinlich, doch dann gingen wir am
Drunter & Drüber vorbei und meine Frau murmelte irgendwas von „Nur mal schnell gucken“ und verschwand dann so schnell, dass der bloße Luftzug ihrer Bewegung ausreichte, um mich ihr hinterher in den Laden hineinzusaugen.
Drinnen angelangt
sehe ich gerade noch, wie die Verkäuferin ihr ein dutzend weißer
Büstenhalter über die Arme legt, die für mich alle vollkommen
identisch aussehen. Manchmal fragen Frauen ihre Partner, welche Art
von Unterwäsche sie denn bevorzugen würden. Sinn dieser Frage ist
natürlich der erotische Subtext, denn um praktische Aspekte, wie
Tragekomfort, Material, Preis-Leistungsverhältnis kann es hierbei ja
gar nicht gehen.
„Nimm die unbequemen, Schatz. Die aus Hanf gedrechselten, die wie ein alter Sack an dir herumschlabbern, und überall wo sie dich doch berühren wie Feuer brennen.“ Genau so gut könnte man mich fragen, was meine Lieblingsbrillenstärke sei. Die, die funktioniert! Nein, die Frage zielt auf die Ästhetik des Mieders und wann bekommt man diese schon mal zu sehen? Genau. Ich gebe nun aber zu bedenken, dass ich noch nie, ganz gleich mit welcher Frau und mit welcher Unterwäsche, gesagt habe: „Nein Schatz, lass den BH noch etwas an. Ich möchte mich an seinem Design und der vorzüglichen Verarbeitung ergötzen. Alles andere wäre auch den kleinen Indern gegenüber, die ihn in unventilierten Lagerhallen zusammengenäht haben, unhöflich.“
„Nimm die unbequemen, Schatz. Die aus Hanf gedrechselten, die wie ein alter Sack an dir herumschlabbern, und überall wo sie dich doch berühren wie Feuer brennen.“ Genau so gut könnte man mich fragen, was meine Lieblingsbrillenstärke sei. Die, die funktioniert! Nein, die Frage zielt auf die Ästhetik des Mieders und wann bekommt man diese schon mal zu sehen? Genau. Ich gebe nun aber zu bedenken, dass ich noch nie, ganz gleich mit welcher Frau und mit welcher Unterwäsche, gesagt habe: „Nein Schatz, lass den BH noch etwas an. Ich möchte mich an seinem Design und der vorzüglichen Verarbeitung ergötzen. Alles andere wäre auch den kleinen Indern gegenüber, die ihn in unventilierten Lagerhallen zusammengenäht haben, unhöflich.“
Die Wahrheit lautet,
Damenunterwäsche ist für mich unterm Strich so eine Art Hindernis
auf dem Weg zum Ziel, vergleichbar einem Mittelstürmer, den nur noch
der Libero vom freien Schuss trennt. Ich merke gerade, dass an diesem
Bild gleich mehrere Dinge nicht stimmen.
Zum einen ist die
Position des Liberos im modernen Fußball schon seit einigen Jahren
obsolet geworden. Zum anderen habe ich gerade tatsächlich meine
Sexualität anhand einer Fußballmetapher erläutert. Darauf stehen
eigentlich 7 Jahre Aprés Ski Party oder wahlweise eine
Mitgliedschaft in der jungen Union. Ich bin schon zu lange hier, mein
Verstand wird von den Seiten her durchsichtig, wie die Schlüpfer in
Reihe 3.
Vielleicht, so denke
ich, sollte ich mich aber auch einfach darauf einlassen. Schließlich
leben wir ja nicht im viktorianischen England, in dem viele junge
Männer in Ihrer Hochzeitsnacht sehr erleichtert feststellten, dass
Ihre Angetraute nicht einfach unterhalb des Halses aufhörte. Wir
leben im 21. Jahrhundert und der Anblick von Körbchen und Höschen
sollte mich nicht so aus der Fassung bringen dürfen. An sich, so
dämmert es mir, sollte ich als weltoffener Mann sogar glücklich
über die Gelegenheit sein, etwas neues lernen zu dürfen! Ich könnte
diesen Laden klüger verlassen, als ich ihn betreten habe und was
sonst, könnte man von einem Samstag Nachmittag verlangen?
Wahllos greife ich
in den Kleiderständer zu meiner Rechten, ziehe ein rotes
Satin-Spitzen-Ensemble hervor, rieche daran und halte es gegen das
Licht, um es besser beurteilen zu können. Dann sage ich :
„Ah, chemische Reinigung möglich, sehr gut!“
„Ah, chemische Reinigung möglich, sehr gut!“
Mit einem mal wird
es sehr still um mich herum. Das metallische Klacken der Kleiderbügel
verstummt ebenso wie die geflüsterten Gespräche und sogar die
Verkäuferin stellt die für die musikalische Hintergrundbeschallung
verantwortliche Stereoanlage auf stumm. Drei alte Frauen blicken mich
vorwurfsvoll an. Tatsächlich, ich habe etwas gelernt. Ich habe
gelernt, wie sich ein Asylbewerber in Bayrisch-Böbrach fühlen muss.
Kräfte, die außerhalb meiner Kontrolle lagen, haben mich an diesen
fremden Ort fern meiner Heimat verschickt. Dann sagte man mir, ich
solle warten, nur wie lang verriet man mir nicht und jeder Versuch
mich zu integrieren scheitert am Widerwillen der Einheimischen, mir
meine so offenkundige Andersartigkeit auch nur eine Nagellackdicke
weit nachzusehen. Außerdem habe ich gelernt, dass einzelne Männer,
die sich in aller Öffentlichkeit leidenschaftlich für G-Strings
begeistern irgendwie gruselig rüberkommen. Die älteste der drei
Damen macht „Ts, ts, ts.“ und schüttelt dazu langsam ihren
runzligen Schädel, wobei ihre Perücke der Bewegung jeweils mit
einer halben Sekunde Verspätung folgt. Was bildet die sich
eigentlich ein?! Ich habe ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht,
mir hier Damen-unterwäsche anzusehen.
Das müsste sie
eigentlich besser wissen als ich, denn so wie es aussieht, war sie
bei Inkrafttreten von mindestens zwei Verfassungen persönlich
anwesend! Gerechter Zorn wallt in mir auf und lässt mich den roten
Tanga wie ein Stirnband um meinen Kopf wickeln. Ich ziehe den Knoten
ordentlich fest und schreite entschlossen auf sie zu. Vor ihr
angekommen baue ich mich breitbeinig auf und sage so laut, dass auch
jeder im Laden hören kann: „Was fällt ihnen ein?! Glauben sie,
niemand bemerkt das? Ihr schlecht sitzendes Haarteil, den riesigen
Adamsapfel, den Bartschatten?
Sie... sie... sie
Perversling!“ Die Alte macht große Augen und setzt zu einer
Antwort an: „Aber, ich wollte doch nur...“
„Ja, ja, wir alle
wissen, was sie hier wollten!“ Um diese Worte zu untermalen kreise
ich mit dem Zeigefinger und wackele mit dem Kopf, als sei der Geist
von Jennifer Lopez höchstselbst über mich gekommen. „Aber das
können Sie mal schön zu hause tun! Im Internet, da wo sie uns
normale Menschen wenigstens nicht mit ihren abartigen Gelüsten
belästigen!“
Um mich herum
brandet Applaus auf, erst zögerlich, doch dann bricht er sich Bahn.
Von irgendwoher höre ich jemanden „Gut so, Schwester!“ rufen,
während die alte Frau sich Schritt für Schritt rückwärts nach
draußen bewegt.
Auf einmal spüre
ich eine Hand auf meiner Schulter. Sie gehört meiner Frau, die mich
anlächelt und mir erklärt, dass nichts für sie dabei war. „Hast
du dich gelangweilt?“, fragt sie. „Ach, schon ok.“,
antworte ich. „Ich konnte was lernen.“
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