Mittwoch, 5. März 2014

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Ich habe mich im Internet gestritten. Sich im Internet zu streiten liegt auf der Liste vollkommen fruchtloser Beschäftigungen irgendwo zwischen Kakteen-streicheln und an-alten-Batterien-lutschen, also auf jeden Fall ziemlich weit vorn. Dabei ist nicht der Streit an sich das Problem, denn der ist letztlich auch nur ein Meinungsaustausch und ausgetauschte Meinungen sind die Maßeinheit, in der man die Entfernung bis zu unserem Erfahrungshorizont misst.
Nein, der Streit ist nicht das Problem. Nur leider verhält es sich so, dass unsere Jahrtausende alte Diskurs-Kultur, gewachsen von der Athener Ekklesia bis hin zur modernen Kneipenschlägerei, nicht recht zu den Gepflogenheiten des Internets passen will. Zum Beispiel fehlt im Netz die akustische Dimension. Ich weiß nie genau, ob mich mein Gegenüber nun anschreit, verhöhnt oder auslacht. Aber ich gehe davon aus, denn ich werde ja auch offline mehrheitlich angeschrien, verhöhnt oder ausgelacht. Und weil man so harsch mit mir umspringt, gebe ich mir dann mit meiner Antwort richtig mühe. Googele Fakten, Statistiken, feile am Wortlaut, bis er einer Klinge gleicht, scharf genug um die Beine deines hohen Rosses in einem Streich durchzusäbeln, ein Pony aus ihm zu machen. Die Zeit dazu habe ich ja, denn das Internet vergisst nichts und dein Post wartet geduldig auf meinen Reply. Und dann kommst du und benutzt …. ein Zwinkersmily. Bei Gott, ich hasse diese Dinger und ich hasse Menschen, die auf jeden Satz ein Zwinkersmily folgen lassen, gerade so als wollten sie sich ihrer eigenen Glaubwürdigkeit berauben!


Es war nicht so gemeint. ;)

Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu lebenslanger Einzelhaft bei Wasser und altem Brot. ;)

Ja, ich will. ;)

So geht das dann hin und her und mit jedem neuen Kommentar fühlen wir uns noch etwas mehr im Recht und können es kaum erwarten, bald unsere Mütter anzurufen, um ihnen zu erzählen, dass wir heute einen Streit im Internet gewonnen haben! Würde man sich unter freiem Himmel, von Angesicht zu Angesicht, auf die selbe Weise begegnen wollen, man bräuchte einen Boxring, einen Bibliothekar und eine Stenotypistin, was zumindest dem Berufsstand der Stenotypisten zu neuem Glanz verhelfen würde. Wann haben Sie zuletzt den Satz gehört: „Guten Tag, ich bin Stenotypist.“? Eben. Ist doch schade drum. Natürlich bräuchte man auch noch eine Horde Zuschauer, die wie ein griechischer Chor stumpf alles Gesagte wiederholen und die Kämpfenden mit ihren Gesängen zu Höchstleistungen anspornen.

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ATTACKE!

Ich habe mich im Internet gestritten. Anlass war der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner, der jüngst wieder mit seiner Forderung nach vorne geprescht ist, Frauen mögen doch bitte an ihre Herde zurückkehren, weil dies der richtige Ort sei, um zwischen den Mahlzeiten rasch noch zwei, drei Kinder zu gebären. Man kann sich fragen, was es denn hier zu diskutieren gibt. Kardinal Meisner ist ein verwirrter, alter Mann, dem man alsbald alle öffentlichen Ämter und seinen Führerschein entziehen sollte. Das ist bekannt. Was gibt da also Anlass zum Disput? Nun, es war der erste Kommentar unter dem dazugehörigen Artikel, der da nämlich lautete: „Ins Fegefeuer mit ihm!“ Nennt mich altmodisch, aber ich finde, man sollte niemandem den Feuertod wünschen. Auch nicht im Scherz, denn moralische Überlegenheit zeigt sich vor allem im Umgang mit solchen, denen wir uns überlegen fühlen. Ein besserer Kommentar wäre gewesen: „An den Herd mit ihm!“ Worauf ein kreativer Kopf vielleicht eine Szene beschrieben hätte, in welcher der Kardinal mit den 7 Kindern, die er seit dem Mittagessen zur Welt gebracht hat eine Art Eimerkette bildet, um die frischen Zutaten nicht selbst aus dem Kühlschrank holen zu müssen. Das schrieb ich, woraufhin Sabsemaus23 antwortete: „Dann hör halt weg. ;)“ Erstens, scheint Sabsemaus23 den Unterschied zwischen lesen und hören nicht vollauf verinnerlicht zu haben und zweitens, ist „Hör halt weg“ einer der beschissensten Sprüche der Menschheitsgeschichte. „Hör halt weg“ ist das Lebensgefühl besoffener S-Bahn-Hooligans. „Hör halt weg“ ist die große Schwester von „Uns hat ja keiner was gesagt“. „Hör halt weg, es ist mein Recht diesen Witz zu machen, du Moralnazi.“

„Ein Recht zu haben, heißt noch lange nicht recht zu haben.“ Mich im Internet zu streiten, verwandelt mich in einen menschlichen Aphorismen-Abreisskalender. Da wirbeln die waidwunden Weisheiten nur so durch den virtuellen Raum und immerhin kann ich danach eine oder zwei davon in Texte wie diesen einbauen. Immerhin! Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist auch nicht, dass ich gerne einen Dummheitswettbewerb zwischen Kardinal Meisner und Sabsemaus23 abhalten würde, in dem beide solange mit dem Kopf gegen die Wand hämmern müssten, bis einer einen Hirnschaden erleidet und dadurch zuerst den Nachweis erbringt, immerhin ein Gehirn gehabt zu haben. Immerhin! Nein der Punkt ist, dass es wenig unbefriedigenderes gibt, als sich im Internet zu streiten und ich hiermit feierlich gelobe, das nie wieder zu tun. ;)

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