Ich habe mich im Internet gestritten. Sich im Internet zu streiten
liegt auf der Liste vollkommen fruchtloser Beschäftigungen irgendwo
zwischen Kakteen-streicheln und an-alten-Batterien-lutschen, also auf
jeden Fall ziemlich weit vorn. Dabei ist nicht der Streit an sich das
Problem, denn der ist letztlich auch nur ein Meinungsaustausch und
ausgetauschte Meinungen sind die Maßeinheit, in der man die
Entfernung bis zu unserem Erfahrungshorizont misst.
Nein, der Streit
ist nicht das Problem. Nur leider verhält es sich so, dass unsere
Jahrtausende alte Diskurs-Kultur, gewachsen von der Athener Ekklesia
bis hin zur modernen Kneipenschlägerei, nicht recht zu den
Gepflogenheiten des Internets passen will. Zum Beispiel fehlt im Netz
die akustische Dimension. Ich weiß nie genau, ob mich mein Gegenüber
nun anschreit, verhöhnt oder auslacht. Aber ich gehe davon aus, denn
ich werde ja auch offline mehrheitlich angeschrien, verhöhnt oder
ausgelacht. Und weil man so harsch mit mir umspringt, gebe ich mir
dann mit meiner Antwort richtig mühe. Googele Fakten, Statistiken,
feile am Wortlaut, bis er einer Klinge gleicht, scharf genug um die
Beine deines hohen Rosses in einem Streich durchzusäbeln, ein Pony
aus ihm zu machen. Die Zeit dazu habe ich ja, denn das Internet
vergisst nichts und dein Post wartet geduldig auf meinen Reply. Und
dann kommst du und benutzt …. ein Zwinkersmily. Bei Gott, ich hasse
diese Dinger und ich hasse Menschen, die auf jeden Satz ein
Zwinkersmily folgen lassen, gerade so als wollten sie sich
ihrer eigenen Glaubwürdigkeit berauben!
Es war nicht so gemeint. ;)
Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu lebenslanger Einzelhaft
bei Wasser und altem Brot. ;)
Ja, ich will. ;)
So geht das dann hin und her und mit jedem neuen Kommentar fühlen
wir uns noch etwas mehr im Recht und können es kaum erwarten, bald
unsere Mütter anzurufen, um ihnen zu erzählen, dass wir heute einen
Streit im Internet gewonnen haben! Würde man sich unter freiem
Himmel, von Angesicht zu Angesicht, auf die selbe Weise begegnen
wollen, man bräuchte einen Boxring, einen Bibliothekar und eine
Stenotypistin, was zumindest dem Berufsstand der Stenotypisten zu
neuem Glanz verhelfen würde. Wann haben Sie zuletzt den Satz gehört:
„Guten Tag, ich bin Stenotypist.“? Eben. Ist doch schade drum.
Natürlich bräuchte man auch noch eine Horde Zuschauer, die wie ein
griechischer Chor stumpf alles Gesagte wiederholen und die Kämpfenden
mit ihren Gesängen zu Höchstleistungen anspornen.
ROFLcopterROFLcopterROFLcopterLOL!LOL!LOL!
ROFLcopterROFLcopterROFLcopterLOL!LOL!LOL!
ATTACKE!
Ich habe mich im Internet gestritten.
Anlass war der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner, der jüngst
wieder mit seiner Forderung nach vorne geprescht ist, Frauen mögen
doch bitte an ihre Herde zurückkehren, weil dies der richtige Ort
sei, um zwischen den Mahlzeiten rasch noch zwei, drei Kinder zu
gebären. Man kann sich fragen, was es denn hier zu diskutieren gibt.
Kardinal Meisner ist ein verwirrter, alter Mann, dem man alsbald
alle öffentlichen Ämter und seinen Führerschein entziehen sollte.
Das ist bekannt. Was gibt da also Anlass zum Disput? Nun, es war der
erste Kommentar unter dem dazugehörigen Artikel, der da nämlich
lautete: „Ins Fegefeuer mit ihm!“ Nennt mich altmodisch, aber ich
finde, man sollte niemandem den Feuertod wünschen. Auch nicht im
Scherz, denn moralische Überlegenheit zeigt sich vor allem im Umgang
mit solchen, denen wir uns überlegen fühlen. Ein besserer Kommentar
wäre gewesen: „An den Herd mit ihm!“ Worauf ein kreativer Kopf
vielleicht eine Szene beschrieben hätte, in welcher der Kardinal mit
den 7 Kindern, die er seit dem Mittagessen zur Welt gebracht hat eine
Art Eimerkette bildet, um die frischen Zutaten nicht selbst aus dem
Kühlschrank holen zu müssen. Das schrieb ich, woraufhin Sabsemaus23
antwortete: „Dann hör halt weg. ;)“ Erstens, scheint Sabsemaus23
den Unterschied zwischen lesen und hören nicht vollauf verinnerlicht
zu haben und zweitens, ist „Hör halt weg“ einer der
beschissensten Sprüche der Menschheitsgeschichte. „Hör halt weg“
ist das Lebensgefühl besoffener S-Bahn-Hooligans. „Hör halt weg“
ist die große Schwester von „Uns hat ja keiner was gesagt“. „Hör
halt weg, es ist mein Recht diesen Witz zu machen, du Moralnazi.“
„Ein Recht zu haben, heißt noch
lange nicht recht zu haben.“ Mich im Internet zu streiten,
verwandelt mich in einen menschlichen Aphorismen-Abreisskalender. Da
wirbeln die waidwunden Weisheiten nur so durch den virtuellen Raum
und immerhin kann ich danach eine oder zwei davon in Texte wie diesen
einbauen. Immerhin! Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist auch
nicht, dass ich gerne einen Dummheitswettbewerb zwischen Kardinal
Meisner und Sabsemaus23 abhalten würde, in dem beide solange mit dem
Kopf gegen die Wand hämmern müssten, bis einer einen Hirnschaden
erleidet und dadurch zuerst den Nachweis erbringt, immerhin ein
Gehirn gehabt zu haben. Immerhin! Nein der Punkt ist, dass es wenig
unbefriedigenderes gibt, als sich im Internet zu streiten und ich
hiermit feierlich gelobe, das nie wieder zu tun. ;)
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