Freitag, 14. März 2014

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1. 
Stinken. Endlich kann ich ein mal wieder so richtig stinken. Vom Joch der tagtäglichen Vorzeigbarkeit entbunden, finde ich wieder zu mir selbst und habe die Suche von der der Nase her begonnen. Die Blumen auf dem Balkon wenden sich nicht mehr der Sonne zu, sondern von mir ab. Was mich aufrecht hält ist nicht etwa der letzte Rest meiner Würde, sondern der von Tag zu Tag steifer werdende Reifegrad meiner Schlafanzughose und Hunde fühlen sich von meiner bloßen Gegenwart beleidigt.

2.
Masturbation. Durch vier Jahre fortgesetzten Arbeitens habe ich den Anschluss an die Trends und Techniken der Gegenwartspornografie vollkommen verloren. Nun kann ich den verpassten Stoff in kompakten 6-Stunden-Seminaren nachholen. Während ich auf die Wirkung der entzündungshemmenden Salbe warte, reflektiere ich über das Gesehene. Sehr gefällt mir beispielsweise der neue, kosmopolitische Bildungsanspruch der Fickfilmchen. Denn nichts lässt meinen inneren Berlinale-Juror mehr frohlocken, als den vielfach zitierten Monolog „Bück dich, ich bin Modelscout!“ im tschechischen Original mit englischen Untertiteln zu genießen.

3.
Bewerbungen schreiben. Wenig ist mehr dazu angetan, mein durch die Kündigung lädiertes Selbstbewusstsein wieder aufzurichten, als zu lesen, was über mich in meinen Bewerbungen steht. Natürlich hübscht sich ein jeder verbal etwas auf, wenn es darum geht, bei zukünftigen Chefs Eindruck zu schinden. Das ist ja ganz normal und üblich. Da muss man als Personalleiter einfach in Gedanken 10 % von abziehen. Um diese alte Faustregel zu überlisten, bin ich dazu übergegangen, beim Angeben einfach gleich 20 %, drauf zu schlagen. 30 %, 35 %, wenn ich gute Laune habe! Am besten funktioniert es, Dinge zu behaupten, die sich unmöglich nachprüfen lassen. So steht in der letzten Version meines Lebenslaufes, ich würde das Dyxalaphon spielen und könnte das Giraffapotomus reiten. Außerdem habe ich den violett geblümten Gürtel im Starkstrom-Karate und sehr gute Verbindungen ins kriminelle Millieu.

4.
Schimpfen. Von der arbeitnehmenden Bevölkerung wird gemeinhin ein Mindestmaß an Umgangsformen erwartet. Dazu gehören, unter Anderem, das Heben von Hüten in Anwesenheit von Damen sowie das Unterlassen von Hutklau, sollte eine Dame einmal den Raum betreten, man selbst aber gerade keine Kopfbedeckung parat haben. 
In einem solchen Fall gilt es seit dem zweiten Vatikanischen Konzil als aktzeptabel, sich einige Haare aus dem Skalp zu rupfen und diese dann als Rauchopfer zu verbrennen oder der Dame zur Kompensation einen Teller Eier mit Senfsauce anzubieten. Von mir hingegen erwartet niemand mehr was. Ich bin arbeitslos und damit in die katakombenhaften Gewölbe unterhalb der Mittelschicht abgerutscht, wo wir uns von unseren Erinnerungen an bessere Tage und den wenigen Tropfen schmutzigen Wassers, das am nicht minder schmutzigen Putz herabrinnt, ernähren. Aber wenigstens darf man schimpfen. Gestern erst habe ich mich in einer Sparkassenfiliale einschließen lassen, um nachts die Putzkolonne mit meinen Vorwürfen konfrontieren zu können. „Bonzen“ nannte ich die Gruppe angegrauter Damen. „Gut betucht!“ spie ich es ihnen entgegen und deutete dabei auf ihre bunten Kopftücher. „Ihr wisst ja gar nicht, wie gut ihr es habt!“ brach es aus mir hervor. „Wir nix Deutsch.“, sagte da die Oberputze zu mir, die von ihren Untergebenen auf einem gold lackierten Wischwägelchen sitzend von Raum zu Raum gerollt wurde, wobei sie die Richtung mit ihrem in Stanniol eingewickelten Besenstiel vorgab. 
„Wir nix Deutsch. Wir Tschechei.“, sagte sie. „Bück dich, ich bin Modelscout“, sagte ich, weil das der einzige Satz war, den ich auf Tschechisch konnte und es im Kontakt mit unseren ausländischen Mitbürgern immer gut kommt, einige ausgewählte Worte in ihrer Landessprache sagen zu können.

5.
Meiner Frau erklären, warum ich stinke.

6.
Meiner Frau erklären, warum ständig alte Tschechinnen an unserer Tür klingeln, um dann aufreizend mit Fotos und ihrem Schinken vor uns herzuwackeln. Wenn hier von ihrem Schinken die Rede ist, dann ist damit selbstredend der berühmte tschechoslowakische Bestechungsschinken gemeint, welcher seit dem Prager Fenstersturz traditionell aus korrupten Schweinen hergestellt wird, nicht was Sie jetzt denken, Sie Ferkel.

7.
Selbstmitleid. In einer Gesellschaft, die auf der Stärke des Einzelnen ebenso sehr fußt, wie auf der Stärke der Gemeinschaft, sind die Gelegenheiten, Schwäche zeigen zu dürfen selten geworden. Umso mehr genieße ich es, nun unkontrolliert und frei weinen zu können. Am liebsten weine ich in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Bussen kollidiert die Weigerung der Reisenden, die Existenz anderer Menschen auch nur als Möglichkeit anzuerkennen, mit dem tiefen Unwohlsein, dass nur entsteht, wenn die Tränen, welche deine Hose durchnässen nicht die eigenen sind. Vor allem junge Eltern verfallen dann schnell auf die Taktik mich mit kleinen Geschenken beruhigen zu wollen. Allein auf dem Weg hierher habe ich so ein halbes Leberwurstbrot und eine Schachtel TicTacs abgestaubt. Schon toll, so eine Arbeitslosigkeit. Eigentlich fällt auch dieser Text in die selbe Kategorie, denn wir alle wissen, dass Sie ihn nur aus Mitleid lesen, aber wir alle werden trotzdem so tun, als wäre es nicht so.

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