Donnerstag, 30. April 2015

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Über die richtigen Worte


Manchmal schweige ich. Ich weiß, klingt komisch von hier oben, wo die Worte Geschosse und ihr willige Zielscheiben seid.
Aber ja, manchmal schweige ich. Wenn mich das Gefühl überkommt, alles sei schon mal gesagt, alles behandelt und besprochen worden. Wenn ich vor lauter Hören taub geworden bin. Wenn Worte nicht mal mehr zum Schießen taugen, sondern Blindgänger bleiben, Trommelfellfeuer, Hülsen auf dem Boden, tönerne Nachweise des eigenen Vorhandenseins, das der Anderen, nicht so wichtig. 
Ach, du auch hier? Nein.

Manchmal, spreche ich. Weil man das von mir erwartet. Weil ich mich Künstler schimpfe. Weil die Frau bei McDonald's an der Kasse fuchsteufelswild wird, wenn man sie minutenlang stumm angrinst. Dabei bestelle ich seit Jahren immer nur einen Cheese- und zwei Chickenburger zum Mitnehmen. Könnten die sich inzwischen ruhig mal gemerkt haben. Also, manchmal, da spreche ich und wenn ich nun schon reden muss, dann doch bitte was von Wert. Wie nun aber, sagt man etwas Wertvolles? Etwas von Gewicht, etwas Aufrichtiges? Etwas Wahrhaftiges, dass man auf Kissenbezüge sticken kann, damit die Worte in der Nacht in die Hirnschale hineindiffundieren und dort bitterschönste Stilblüten treiben.
Man könnte Aphorismen schreiben. Ein Zollstock ist das Metermaß des kleinen Mannes. Es gibt kein schlechtes Wetter,
nur 3-Wetter-Taft. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss man einen Geologen fragen.


Man könnte über Propheten reden: Über Gebote und den achtfach geschwurbelten Pfad zur Neuverkabelung allen Seins. Man könnte über jene reden, die mit solch weißglühender Inbrunst an gar nichts glauben, dass es ihnen entgeht, wenn sie den Fundamentalismus schon längst von der anderen Seite her erreicht haben. Man könnte über jene reden, die Glauben, man Müsse Öl ins Nudelwasser geben. Ketzerei! Man könnte hier noch was über die letzte Ölung einbauen und somit die Themenberreiche Pasta und Päpste halbwegs originell verbinden. Doch das wäre nur Form, nur Äußerlichkeit, eine prunkverzierte Kutsche, vor die man ein Maultier spannt.


Man könnte die eigene Unfähigkeit in übergroße Reime Kleiden und wenns dann um die Knöchel schlabbert, dann ist das Straßenglaubwürdig. Straßen sind immer glaubwürdig. Straßen haben mich enttäuscht, geschafft und gekostet, doch nie belogen.


Hey Digger, Homie, wird Zeit dass du checkst

bevor du auf der Suche nach der Truth verreckst

der Sinn lagert nicht, in
funkelnden Worten

du
kannst ihn auch nicht mit Radargerät orten

ja, er ist auf Tauchfahrt, zwischen den Zeilen

tummelt sich, wie Hechte, die im Süßwasser stylen

du bist ein Angler, kein Grund, sich zu beeilen

du hoffst'n auf den Fang wa? Willst das Wasser gleich teilen?

lass ma die Wassermetaphern, das ist doch Kitsch

komm lieber zum Ende und sag
ganz laut Bitch

denn ein Bitch am Ende, das signalisiert

dass hier gerade was ironisches passiert

ironisch
gebrochen oder ernsthaft übergeben?

lieber Gold schweigen, als Scheiße reden

BITCH!

Man könnte seine Tochter Ironia nennen, und hoffen, dass die Mutter den Witz erst nach der Geburt versteht. Oder Tiffany.
Die Frucht meiner Lenden hieße dann Tiffany Lampe und müsste mit dem Gefühl durchs Leben gehen, Ihr Vater wäre zurecht verlassen worden.

Man könnte abschweifen wie ein Ponyfriseur und behaupten, man würde das gleich erklären. Man könnte alles erklären. Man sollte nichts erklären, denn man ist ja Künstler und keine Erkläranlage. Man könnte Wortspiele machen, jedoch sollte man sich der Tatsache bewusst sein, dass jedes Spiel verloren werden kann.
Man könnte sich endlos wiederholen, solange man genug Pathos in die Stimme legt und mit der rechten Hand dazu den Himmel streichelt. 
Man könnte (!) sich endlos (!) wiederholen, solange man genug Pathos (!) in die Stimme legt und mit der rechten Hand (!) dazu den Himmel streichelt. 

Man könnte originell sein, wenn schon keine Weisheit finden, dann halt eine erfinden, etwas sagen, dass noch niemals zuvor gesagt worden wäre. Erstaunlich! Wie das Gehänge der Pleiaden den Schnabelwuchs der Kniegelenke, der Knieeeeeeegelenke schawuba! Ehrentag der Beutel!
Man könnte alle Worte in sich tragen, von Apostel bis Zyste und gelegentlich die seltensten und seltsamsten hervorholen. Klabusterbeere oder Schmackofatz beispielsweise, aber bitte nicht in einem Gedanken.Man könnte über Politik reden, über Flüchtlinge, und am Abend die Haustür abschließen.

Man könnte
im Konjunktiv verharren. Möglichkeiten sind wie Leberflecken. Einzeln charmant, in der Gruppe ein guter Grund, sich Sorgen zu machen. Es ist eine Frage der Häufung. Man könnte, man könnte, man köntte...
Zum Beispiel könnte man sagen: „Drückt euch mal. Ruft bei Mutti an und bringt den Müll runter, wenn ihr das versprochen habt.“ Das wäre dann nicht neu, nicht groß und nicht besonders außergewöhnlich. Doch ist das Außergewöhnliche letztlich eine Frage der Perspektive. Drei Uhr Nachmittags ist verdammt außergewöhnlich, wenn du eine Eintagsfliege bist.Wie also sagt man etwas von Wert? Drückt euch mal. Ruft bei Mutti an und bringt den Müll runter, wenn ihr das versprochen habt. Und dann haltet endlich die Klappe.

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