Dienstag, 4. Februar 2014

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Über Geschenke


Es gab mal eine Zeit, in der ich meine Familie mit selbsgetöpferten Aschenbechern geradezu überhäufte, was rückwirkend etwas undurchdacht erscheint, da ich in einem Nichtraucherhaushalt groß geworden bin. Immerhin aber eigneten sich meine Aschenbecher nicht nur zum festlichen hinein aschen, nein. Da jeder Aschenbecher ein absolutes Unikat darstellte und sich in Größe, Form und Beschaffenheit vollkommen von allen anderen Aschenbechern unterschied, fanden sich mit etwas Kreativität immer neue Möglichkeiten, etwas aus meinem Geschenk zu machen.
Einige Aschenbecher wurden so zu Fingerhüten, Blumenkübeln oder Wagenrädern umfunktioniert. Die Jahrgänge 97 bis 2003 verleihen noch heute dem berühmten Gulasch der Familie Lampe seinen einzigartigen Geschmack und auch meine Großmutter dreht im Sommer gerne einige Runden in dem Schwimmbecken, das sie eines Feiertags überraschend in ihrem Vorgarten fand. Flexibilität ist die Maxime unserer Zeit und schließlich ist es doch die Geste, die zählt und überhaupt, never change a running system, sagt der Mann aus der IT-Abteilung und hat recht, weil Männer aus der IT-Abteilung immer recht haben und wenn nicht, dann schaltet man sie einfach mal kurz aus und wieder ein und fragt dann noch mal. Zudem hatte ich das Gefühl, die Sache mit dem Töpfern langsam raus zu bekommen, also machte ich einfach weiter.

Doch seit einigen Jahren wurde das erfreute Lächeln immer mehr von so einem Blick begleitet. So einem Blick, wie man ihn für junge Hunde reserviert, deren vermeintlich sicher geglaubte Stubenreinheit unverhofft wieder in Frage gestellt wurde. So ein Blick, wie man ihn in sein Sparbuch wirft, nur um dann festzustellen, dass von den 30.000 Euro, die man eingezahlt hat, inflationsbereinigt nur noch 27.000 da sind. Sicher, man hat 27.000 Euro. Das reicht beispielsweise, um 27.000 Einkaufswägen die Freiheit zu schenken. Da muss man auch mal sehen, was man da schon mit bewirken könnte und manchmal ist ja wirklich alles besser, als das zu kriegen, was man verdient hat. Yey, 27.000 Euro, möchte man frohlocken! Doch trotzdem bleibt da dieses diffuse Gefühl, beschissen worden zu sein. So ein Blick.
So einen Blick konnte ich zuletzt in den Gesichtern meiner Eltern entdecken.
Letztes Jahr nahm mich mein Vater zur Seite. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass Mutter und Schwester ihre Aufmerksamkeit weiterhin einzig und allein auf Michl aus Lönneberga richteten. Dann sagte er: „Sohn, ich muss sagen, du kommst der Sache näher. Dieses Jahr sind deine Aschenbecher runder, als je zuvor und auch die kleinen Sterne, die im Dunkeln leuchten, zeugen von Kreativität und Liebe zum Detail. Doch lass mich anmerken, wenn du nächstes Jahr wieder mit den Drecksteilen ankommst, wirst du deine ganz persönliche Weihnachtsgeschichte erleben, weil ich dich dann im Stall schlafen lassen werde.“
„Vater,“, sagte ich, entrüstet, doch mit angemessenem Respekt. „Ihr wohnt in einer Zweizimmer-wohnung im dritten Stock. Ihr habt keinen Stall.“
Stumm deutete er auf den Meerschweinchenkäfig und mich überkam große Angst.
Der Meerschweinchenkäfig, der seit Generationen nicht mehr gereinigt worden war, in dem die Meerschweinchen vor lauter Dreck und Dämpfen verrückt und blutrünstig geworden waren. Riesenhaft mutierte Meereber in Lederkutten mit Killernieten, die ihr Fell zu einem aggressiven Ganzkörperirokesen gestylt trugen. Immer wenn ich diesen Käfig betrachtete, musste ich unwillkürlich an Tina Turner in „Mad Max 3, unter der Donnerkuppel“ denken.

Richtiges Schenken ist eine durchaus heikle Angelegenheit. Denn um richtig zu schenken, muss man möglichst viel über den zu beschenkenden wissen. Was aber weiß man über Väter? Sie sind wie Gebirgszüge am Horizont, zunächst einmal da. Manchmal beschützen Sie uns vor Regen und ein anderes mal muss man über sie hinweg, möchte man endlich raus aus dem engen Tal. Aber haben diese Berge Interessen? Weltanschauliche Überzeugungen? Am Ende noch Hobbys? Liest der Berg gern mal historische Romane oder hat er eine Modelleisenbahn im Keller? Wollte er schon immer mal Schwedisch lernen oder braucht er einen neuen Schlips? Ich weiß es nicht, aber wofür gibt es denn Fachkräfte?
In der Gneisenaustraße gibt es ein Geschäft namens Herrlich. Hier, so die Werbung, hat man sich vollständig auf Geschenke für Männer spezialisiert. Da mein Vater, da bin ich mir fast sicher, ein Mann ist, erschien es mir als strategisch richtig, meine Suche nach einem passenden Geschenk hier anzusetzen.

„Guten Tag werte Wächterin von Waren.“
„Guten Tag, was kann ich für sie tun?“
„Ich suche ein Geschenk. Für meinen Vater, oh resolute Regentin der Registrierkasse.“
„Aha. Wofür interessiert sich ihr Vater denn so?“
„Ich dachte, das könnten sie mir sagen! Sind sie überhaupt eine richtige Verkäuferin? Zeigen sie mir sofort ihre Lizenz, sie labil-liederliches Ladenlokalluder!“
Die Dame lässt sich nichts anmerken. Verkäuferinnen auf der ganzen Welt werden täglich mit irgendwelchen Spinnern konfrontiert, die ganz dringend ein Geschenk brauchen, zumeist aber schon beim Versuch scheitern, sich daran zu erinnern, für wen.
„Nun,“, sagt die Dame. „Wir haben uns ja auf besonders männliche Geschenke spezialisiert. Das männlichste Geschenk, das wir haben, sind diese penisförmigen Manschettenknöpfe aus verschossener Panzermunition, die von Bruce Willis persönlich mit einem Feuerzeug und einer Dose Axe eingeschmolzen wurde. Es müsste sogar noch etwas Schießpulver drin sein. Passen sie also beim Händeschütteln besser auf!“
„Finden sie diese Vorstellung von Männlichkeit nicht auch etwas stereotyp?“
„Wollen Sie sie nun oder nicht?“
„Gekauft!“, sage ich. „Was sollen die denn kosten?“
„Mehr, als sie im Umschlag von ihrer Großmutter finden werden.“, sagt die Verkäuferin und schenkt mir ein wissendes Lächeln.

2 Kommentare:

  1. Väter haben die unangenehme Eigenschaft, sich Dinge die sie brauchen einfach zu kaufen, die Wahnsinnigen!

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  2. Der Meerschweinchenkäfig, der seit Generationen nicht mehr gereinigt worden war, in dem die Meerschweinchen vor lauter Dreck und ... meerschweinchenkaefig.blogspot.com

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